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[Spurensuche jüdischer Geschichte
– das Ghetto in Wilna
]

Spurensuche jüdischer Geschichte:
Das Ghetto in Wilna

Einleitung

Das Projekt "Spurensuche jüdischer Geschichte – das Ghetto in Wilna" will einen Beitrag zur Erinnerung an die Shoah leisten.

Von Gudrun Schroeter

Immer wieder – und immer noch, ob in der Schule oder der Universität, begegnen wir in der historischen Auseinandersetzung oder in der aktuellen Debatten um die deutsche Vergangenheit dem Bild, dass die Juden sich "wie die Schafe haben zur Schlachtbank führen lassen". Wird nicht mit diesem Bild, das zudem ein antisemitisches Stereotyp benennt, einer von den Deutschen zur Vernichtung bestimmten Gruppe mangelnder Widerstand unterstellt? Was wissen wir über die Menschen, die in den Lagern und Ghettos unter unmenschlichen Bedingungen zum Tod bestimmt waren? Und wie wenig wissen wir über die von den Deutschen perfektionierte Vernichtungsmaschinerie?

Diesen und ähnlichen Fragen will sich die Dokumentation annähern. Es werden Dokumente und Texte verwendet, in denen die Verfolgten selber zu Wort kommen. Die AutorInnen der zitierten Tagebücher überlebten die Nazizeit meist nicht. Ihre Aufzeichnungen wurden aus den Lagern und Ghettos gerettet. Das Aufschreiben des Erlebten war oft der Lebensantrieb für die Eingesperrten, die unmenschlichen Situationen durchzustehen - und verbunden mit der Hoffnung, dass das Unglaubliche der Nachwelt vermittelt wird. Weitere Quellen sind Gedichte und Lieder aus dem Ghetto Memoiren, die in unterschiedlichem Zeitabstand zum Geschehen geschrieben wurden.

Alle Ghettos waren Vorposten der Vernichtung. Die hier fragmentarisch aufgezeigte Geschichte des Wilnaer Ghettos und des Widerstands im Ghetto ist nur eine von vielen und sie ist nicht zu verallgemeinern. Viele der Geschichten aus den Ghettos und Lagern müssen noch aufgearbeitet werden.

Es kann gesagt werden, dass überall dort, wo es auch nur die geringste Möglichkeit gab, sich den Deutschen zu widersetzen, dies auch geschah. An manchen Orten gab es diese Möglichkeit schlichtweg nicht. Doch auch dort, wo es Widerstand gab, gab es für die Mehrheit kein Überleben: Alle Ghettos wurden von den Deutschen liquidiert, die noch Lebenden wurden in Konzentrationslager deportiert. Der jüdische Widerstand war kein Massenphänomen, aber deshalb nicht weniger wichtig. Es sollen einige Aspekte gezeigt werden.

Vilnius - Wilna - Wilne


Karte – Osteuropa
Wilna, die russische und deutsche Bezeichnung der Stadt, heißt heute Vilnius und ist die Hauptstadt Litauens. Die jüdische Bevölkerung, die bis zum Überfall der Deutschen über ein Drittel der BewohnerInnen der Stadt ausmachte, nannte sie Wilne. Wilne war ein Zentrum religiösen, kulturellen und politischen jüdischen Lebens und wurde das Jerusalems Litauens genannt. Wilne existiert nicht mehr.

Im Laufe der Jahrhunderte waren Juden auch hier Anfeindungen ausgesetzt, es kam immer wieder zu antijüdischen Übergriffen, und dennoch bildete die jüdische Bevölkerung eine bedeutende Minderheit in der ansonsten katholisch dominierten Stadt. Im 17. Jahrhundert war Wilne ein Zentrum rabbinischer Gelehrsamkeit. Der Streit zwischen Chassidim und Mitnagdim, der jüdische Religionsstreit im 18. Jahrhundert, wurde hier erbittert ausgetragen. Der "Gaon von Wilne" (1720-1797), ein Wortführer der Mitnagdim, gilt bis heute als eine Autorität, dem wichtige Bedeutung für die Entwicklung des modernen Judentums beigemessen wird. Die Haskala, die jüdische Aufklärung hatte bedeutende Anhänger in der Stadt und es bestanden enge Beziehungen zu dem Kreis Moses Mendelsohns in Berlin. Der Großteil der jüdischen Bevölkerung lebte in sehr armen Verhältnissen. Ende des 19. Jahrhunderts gründeten sich in Wilne politische Gruppierungen unterschiedlichster Couleur – zionistische, sozialistische, anarchistische und bundistische. Es entstand ein Netz jüdischer Institutionen, in denen die unterschiedlichen, sich oft widerstreitenden, Konzeptionen vertreten waren – Schulen, Bildungseinrichtungen und Theater, hebräische und jiddische Tageszeitungen und Zeitschriften, diverse Bibliotheken. Die hebräische Buchdruckkunst der Stadt war weit über die Grenzen des Landes berühmt.

  • Direct Streaming RealAudio
    [Musik hören]

  • Liedtext Wilne (Jiddisch und Deutsch)

  • Krieg

    Diese Dokumentation beginnt mit dem Überfall der Deutschen auf Polen 1939, dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Flüchtlingsströme gelangten nach Wilna und viele Flüchtlinge, denen die Flucht nicht mehr gelang, wurden gemeinsam mit den Wilnaer Juden im Ghetto eingesperrt. Im Juni 1941 fiel die deutsche Wehrmacht in Wilna ein. Der erste Teil der Darstellung endet Anfang September 1941 mit einer von den Deutschen inszenierten Provokation, die die Vertreibung in das Ghetto vorbereitet.

    Ponar

    Das nächste Kapitel berichtet von Ponar – dem Massengrab von zigtausenden Juden und von sowjetischen Kriegsgefangenen. Deutsche Mörder und ihre litauischen Unterstützer perfektionierten hier tagtäglich den Massenmord.

    Ghetto

    Der dritte Abschnitt beschreibt Facetten aus dem Ghetto von Wilna. Es existierte nur knapp zwei Jahre, bis die Deutschen es im September 1943 liquidierten. In dieser Zeit wurde im Ghetto eine Selbstverwaltung aufgebaut, um das (Über-) Leben unter den inhumanen Bedingungen zu organisieren. Die Deutschen terrorisierten das Ghetto nach dem Prinzip "Teile und Herrsche", permanente Täuschungsmanöver trugen dazu bei, dass die wahren Absichten der geplanten vollständigen Vernichtung von der Mehrheit der Juden lange nicht geglaubt wurden.

    Widerstand

    Der vierte Teil beschäftigt sich mit den Formen des Widerstands. Unterschiedlichste Menschen und Gruppen im Ghetto setzten sich auf ganz verschiedene Weise den brutalen Maßnahmen und Vernichtungsaktionen entgegen. Alltägliche Überlebensstrategien, die Vielfältigkeit von Gegenwehr, den kulturellen und bewaffneten Widerstand vor dem Hintergrund der permanenten Todesdrohung aufzuzeigen, ist ein Schwerpunkt dieser Dokumentation.

    Kurzbiographien, Glossar und Literaturhinweise

    Einige der im Text auftauchenden Personen sind über ihre Namen zu ihren Portraits und Kurzbiographien zu erreichen. Es sind ganz unterschiedliche Menschen, mit Utopien, Träumen und Zukunftsideen. Links zu einem Glossar erklären im gesamten Text eventuell unbekannte Begriffe und Hintergründe. Im Anhang ist weiterführende Literatur zu finden.

    Das Bild bleibt fragmentarisch, viele Aktivitäten sind nicht beschrieben: Es fehlen z.B. die Versuche der religiösen Gruppen in den engen Spielräumen des Ghettos ihre Identität zu wahren. Es fehlen auch die wenigen, aber wichtigen Unterstützer und Retter. Wir hoffen, die Dokumentation gibt nichtsdestotrotz Impulse, Spuren der Geschichte zu verfolgen, in denen das Leben und die Perspektiven der Verfolgten Raum haben.

    Im Text wird bewusst von den "Deutschen" gesprochen und nicht etwa von den Nazis. In diesem Abschnitt der deutschen Geschichte ist die Mehrheit der deutschen Bevölkerung den nationalsozialistischen Parolen gefolgt. Der Antisemitismus war eine tragende Säule der nationalsozialistischen Ideologie und tief verankert in der Gesellschaft. Somit ist diese Benennung keine Pauschalisierung: Hinter den Akteuren der Vernichtung, von denen einige in dieser Dokumentation auftauchen, standen die Beschlüsse aus Berlin, hinter den Einzelnen die Familien und Freunde, die das menschenverachtende System in den meisten Fällen mitgetragen haben, sei es aktiv oder als schweigende Zuschauer.

    Für die Opfer stand vor der Vernichtung die Entmenschlichung, systematische Entrechtung und Vertreibung.

    Aus dieser Geschichte kann – entgegen der in Deutschland weit verbreiteten "Schlussstrichforderung" – nur ein Schluss gezogen werden: Daraus zu lernen, die Augen nicht vor der Vergangenheit und vor der Gegenwart zu verschließen.
    Für die dritte Generation geht es nicht mehr um Schuld, es geht um Verantwortung, Rassismus und Antisemitismus in jeder Erscheinungsform verantwortlich entgegen zu treten.

    [Übersicht: Spurensuche jüdischer Geschichte
    – das Ghetto in Wilna
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    Krieg


    hagalil.com 13-02-2003

     


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