Frankreich
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Die franzoesische juedische Gemeinde ist ein
faszinierendes Studienobjekt, da sich ihr Gesicht waehrend der letzten
Generation grundlegend veraendert hat.
Die Gemeinde der franzoesischen Juden war die erste auf
der Welt, die zur Zeit der Franzoesischen Revolution auf dem Papier
emanzipiert wurde, und unter Napoleon Bonaparte ihr Buergerrecht
erhielt. Sie war eine grosse aschkenasische Gemeinde mit kleinen
sephardischen Einschlaegen durch alte spanische Familien, die gut in die
franzoesische Gesellschaft integriert waren. Trotz der beruehmten
Dreyfus-Affaire, die Theodor Herzl in einen Zionisten verwandelte und
die offizielle Gruendung der Zionistischen Bewegung an der Schwelle des
20. Jahrhundert brachte, standen die franzoesischen Juden grossteils
beiseite, den Zionismus mild, aber passiv unterstuetzend.
Die Schoa und der Zweite Weltkrieg veraenderten das
Schicksal der franzoesischen juedischen Gemeinde fuer immer. Am Vorabend
des Krieges lebten ungefaehr 300.000 Juden in Frankreich; nicht alle
waren franzoesische Staatsbuerger von Geburt, und ueber ein Drittel von
ihnen wurde von den Nazis nach der Invasion Frankreichs mit der aktiven
Hilfe der Vichy-Regierung in der „unbesetzten" Zone Frankreichs
vernichtet. Der ueberlebende Teil der franzoesischen Juden wurde in den
unmittelbaren Nachkriegsjahren durch 80.000 Juden verstaerkt, die aus
Mittel- und Osteuropa in den Westen kamen und sich in Frankreich
niederliessen.
Von der Mitte der fuenfziger bis in die Mitte der
sechziger Jahre ereignete sich eine weitere Veraenderung als
zehntausende Juden aus Algerien, Tunesien, Aegypten und Marokko in
Frankreich einwanderten. Da die meisten franzoesischsprachig waren,
herrschte die Ueberzeugung vor, dass ihnen Frankreich eine natuerliche
Heimstaette bieten wuerde, nachdem sich in ihren Ursprungslaendern durch
den Aufstieg des arabischen Nationalismus und seines Antizionismus die
Situation drastisch verschlechtert hatte. Viele der Neuankoemmlinge
hatten Verwandte, die in Israel einwanderten. Einige der neuen
franzoesischen Immigranten hatte das Leben in Israel ausprobiert, es
jedoch nicht geschafft, Fuss zu fassen. Man schaetzt, dass ungefaehr
300.000 nordafrikanische Juden in Frankreich eine neue Heimat gefunden
haben. Durch sie hat sich das Bild der juedischen Gemeinde Frankreichs
gaenzlich geaendert.
Die neuen Immigranten waren zunaechst osteuropaeische
Juden gewesen und spaeter Sephardim, die ihre eigenen Gemeinden
gruendeten und oft traditioneller orientiert waren als viele andere
Juden. Die familiaeren und kommunalen Bindungen der franzoesischen
Neuanwanderer mit den Olim schufen enge Beziehungen des franzoesischen
Judentums mit Israel, obwohl die schwierigen Umstaende, mit denen die
Einwanderer in Israel konfrontiert waren, von den neuen franzoesischen
Juden in einem kritischen Licht gesehen wurden.
Waehrend des Zweiten Weltkrieges hatte Frankreich
bewiesen, dass in einem Grossteil seiner Bevoelkerung antisemitische
Gefuehle schlummerten, die manchmal sehr stark ausgepraegt waren. Diese
Situation hat sich bis heute nicht geaendert, gelegentliche
antisemitische Ausbrueche verursachen unter den franzoesischen Juden
verstaendliche Besorgnis. Die Praesenz einer starken Moslemgemeinde und
das Vermaechtnis der Neuen Linken haben seit den spaeten sechziger
Jahren in vielen Juden Gefuehle der Fragilitaet und Unsicherheit
verursacht, die in einen Impetus zur Alijah uebersetzt wurden.
Auch der Aufstieg der extremen Rechten unter Jean Marie
Le Pen muss in diesem Zusammenhang erwaehnt werden, auf die bei Wahlen
fast 15 Prozent der Stimmen entfallen.
Ein zusaetzlicher Anstoss zur Alijah kam von einer
verbreiteten religioesen Erneuerung (Ba´alei Teschuwa), die in den
letzten Jahren viele religioese Juden nach Israel brachte. Viele von
ihnen sind Kinder maghrebinischer - nordafrikanischer - Eltern.
Insgesamt sind seit der Gruendung des Staates Israel ueber 30.000
franzoesische Juden eingewandert.
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/ 14-07-2002 |