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Nach der antisemitischen Welle in Polen:
Leopold Trepper flog 1973 nach Israel

Von Max Brym

Die Geschichte ist geronnene Erfahrung der Menschheit. Erfahrungen sollten sich einprägen, ansonsten besteht die Gefahr, dasselbe nochmals zu erleben, entweder als Tragödie oder als Farce.

Auch der überzogene Geschichtsoptimismus vieler Juden im vorigen Jahrhundert sollte im Gedächtnis bleiben. Die Zahl der intellektuellen Juden in Osteuropa, die Kommunisten wurden, um auf diesem Weg die „ jüdische Frage“ zu lösen, war beträchtlich. Ihr Kampf gegen den Nazismus war entschieden, blutig und tapfer. Die wirkungsvollste Spionagegruppe im zweiten Weltkrieg, die “Rote Kapelle“, stand unter der Leitung des polnischen Juden Leopold Trepper. Die engsten Mitarbeiter des legendären “Grand Chef“ waren Leo Großvogel und Hilel Katz. Das Netz der Roten Kapelle reichte bis ins Reichsluftfahrtministerium, zur Person des deutschen Antifaschisten Harro Schulze-Boysen und in das Reichswirtschaftsministerium, in dem Arvid Harnack für die Rote Kappelle tätig war. In den Jahren 1941 bis 1942 funkten die Pianisten der Kapelle entscheidende Informationen nach Moskau. Deutsche Aufmarschpläne und neue deutsche Waffensysteme wurden dem sowjetischen Generalstab mitgeteilt. Ende 1942 gelang der deutschen Abwehr ein wichtiger Schlag gegen die Rote Kapelle. Hunderte Mitglieder der Roten Kapelle wurden in ganz Europa verhaftet, die meisten davon hingerichtet. Selbst der legendäre Chef Leopold Trepper fiel der Gestapo in die Hände. Allerdings gelang es ihm und seiner Organisation den Direktor in Moskau zu warnen, denn die Nazis wollten die Funkstationen umdrehen. Im Frühjahr 1943 floh Trepper aus der Gestapo Haft und beteiligte sich am antifaschistischen Kampf in Frankreich. Im Januar 1945 flog Trepper nach Moskau, um über seine Arbeit Bericht zu erstatten. Umgehend wurde Trepper in die Lubjanka geworfen. Ihm wurde vorgeworfen, von dem Verräter Bersin, ehemals Chef des Militärischen Nachrichtendienstes der Sowjetunion, angeworben zu sein ( Bersin wurde 1938 im Rahmen der stalinistischen Säuberungen erschossen). Trepper war bis 1954 in russischer Haft. Anfangs wurde ihm trotzkistischer Verrat vorgeworfen und die Frage gestellt “warum so viele Juden in seiner Organisation waren“. Ab 1949 wurde Trepper zum zionistischen Agenten erklärt. Im Jahr 1954 wurde Trepper aus der Haft entlassen und voll rehabilitiert. Aber erst 1957 bekam er die Genehmigung, nach Polen auszureisen.

Trepper in Polen

Seit Oktober 1956 herrschte unter dem neugewählten polnischen Parteichef Gomulka ein für Ostblockstaaten relativ offenes politisches Klima. Leopold Trepper wurde Leiter des “Yiddisch Buch“ des einzigen jüdischen Verlages, den es in sämtlichen “sozialistischen Ländern“ gab. Einige Jahre später wurde Trepper Vorsitzender des Sozialkulturellen Verbandes der polnischen Juden(T.S.K.Z.P.).Von den fünfundzwanzig bis dreißigtausend Juden, die damals in Polen lebten und teilweise vollständig assimiliert waren, zählten 9000 zu dem Verband. Der Verband gab unter der Leitung Treppers eine Tageszeitung und eine literarische Wochenschrift heraus. Bis Mitte der sechziger Jahre stand die polnische Regierung den Aktivitäten durchaus positiv gegenüber und förderte Jugendclubs und andere kommunale Einrichtungen. Aber es drohten dunkle Wolken, ab Mitte der sechziger Jahre verschlechterte sich die Wirtschaftslage in Polen zusehends. Ein gewisser Piasecki, der vor dem Krieg eine der reaktionärsten Parteien geführt hatte, hielt die Fahne der alten antisemitischen Fanatiker erneut hoch. Der General Mokzar erlangte innerhalb der PVAP ( Polnische Vereinigte Arbeiterpartei ) immer mehr Einfluß. Die jüdische Gemeinschaft wurde immer schlechter behandelt.

“Schickt die Schweine zu Dayan“

Im Juni 1967 gewann Israel den Krieg gegen Ägypten, Syrien und Jordanien innerhalb von sechs Tagen. Im gesamten Ostblock begann daraufhin eine wüste antisemitische Kampagne. Schlecht wurde der Antisemitismus als Antizionismus getarnt. Am 17. Juni 1967 ergriff Gomulka beim Kongreß der Einheitsgewerkschaft das Wort und ließ eine zügellose Schmährede gegen die Juden los. Gomulka benutzte diese Gelegenheit um die Parole auszugeben: “Die jüdische Gemeinde ist die fünfte Kolonne“. Eine antisemitische Kampagne von unerhörter Heftigkeit wurde von General Mokzar, dem Innenminister, in der Presse, im Fernsehen und in den Versammlungen der Arbeiter angezettelt. Die Kundgebungen der polnischen Studenten im Frühjahr 1968 in Warschau lieferten den Machthabern einen neuen Vorwand, die Hetze weiterzutreiben. Man behauptete, die jüdischen Studenten hätten die Zusammenstöße mit der Polizei provoziert. Die Angriffe richteten sich stark gegen den Sozial kulturellen Verband als “Zentrum der Konterrevolution“. Zu Hunderten wurden jüdische Studenten von der Universität ausgeschlossen und alte jüdische Kommunisten aus der Partei gejagt. Mokzar organisierte “spontane“ Kundgebungen mit dem Schrei: “ Schickt die Schweine zu Dayan“. Es fehlte nicht viel zu einem oder mehreren Pogromen.

Mehr als fünfundzwanzig Jahre nach Kriegsende entstand im Land des Warschauer Ghettos, wo die Juden mehr als anderswo unter der nazistischen Barbarei gelitten hatten, das Ungeheuer des Antisemitismus neu aus der Asche. Die Feindschaft gegen Israel und gegen den Zionismus wurde zu einer erklärten Feindschaft gegen die polnischen Juden. Die Regierung wollte mit dem jüdischen Verband in Polen Schluß machen. Nachdem mehrere Eingaben von Trepper an Gomulka ohne Resonanz blieben, legte er sämtliche Funktionen im jüdischen Verband nieder, Ihm folgten bis auf zwei sämtliche Vorstandsmitglieder der jüdischen Gemeinschaft in Polen. Seine Söhne Michel, Peter und Edgar stellten einen Ausreißeantrag nach Israel nachdem sie aus den politischen Organisationen und von ihren Arbeitsplätzen verwiesen wurden. Der Schwiegervater von Peter ein alter gelähmter polnisch jüdischer Kommunist kommentierte das mit den Worten: “Ich bin überzeugt, dass sich im Nahen Osten die Juden und Araber schließlich verständigen werden Bei uns ist die Lage momentan aussichtslos, ihr müßt schnell weg“.

Freiheit für Trepper

Im August 1970 ersuchte Leopold Trepper die polnischen Behörden nach Israel emigrieren zu dürfen. Die Erlaubnis wurde ihm kommentarlos verweigert. Statt dessen wurde der ehemalige “Spionagemeister“ streng isoliert. Er wurde von seiner Familie getrennt und überwacht. Dennoch begannen einige Gruppen im Westen und in Israel sich für den “Fall Trepper“ zu interessieren. In Frankreich, Schweden, Dänemark und Israel entstanden Solidaritätsgruppen. Zur selben Zeit erschienen einige Bücher, über die Rote Kapelle in einigen westlichen Staaten. Dies verlieh dem Fall zusätzliche Brisanz. Endlich im November 1973 durfte Leopold Trepper nach Israel ausreisen. In seinen Memoiren “Die Wahrheit“ schreibt Trepper 1974: “In Israel habe ich meine wirkliche Heimat gefunden, nichtsdestotrotz bleibe ich den sozialistischen Idealen meiner Jugend treu“.

 hagalil.com / 25-07-2003


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